Lebendig, Leben, Lernen

Ein Bericht über die Theaterpremiere der 12. Klasse am 21.10.2023 in der FWS Oberberg

Die Tür zum Saal öffnet sich. Wir Zuschauer strömen hinein, doch plötzlich stockt der Menschenfluss: Aus dem dunklen Raum wabern uns Nebelschwaden entgegen, wo sich sonst Sitzreihen befinden, erhaschen wir einen vagen Blick auf die Überreste einer scheinbar wilden Party. Auf Teppichen, Sofas und Sesseln liegen junge Frauen und Männer, zwischen ihnen zahlreiche Flaschen. Die Zuschauer nehmen stattdessen auf der grün ausgeleuchteten Bühne Platz und genießen, wie in einem antiken Theater, die beste Aussicht auf die Szenerie unter ihnen.

 

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Als David Bowies „Space Oddity“ ertönt, formieren sich die Darsteller zu einer Gruppe, jeder stellt seine Figur mit einem starken Satz wie „Ich habe mit Menschenleben gespielt“ oder „Ich bin schuldig geworden“ vor. Dann verteilen sich die jungen, teils farbenfroh im Stil der 1960er Jahre gekleideten Menschen und ziehen uns tanzend mit sich in eine andere Zeit, in die Swinging Sixties.

Wie aus dem Dunkel der Geschichte ans Licht geholt, entfaltet sich rasch ein Panorama aus unterschiedlich miteinander verbundenen Charakteren. Sie tauchen immer wieder auf und verändern sich im Laufe des Stückes teils sprunghaft, teils kaum merklich, und werden jeder für sich überzeugend dargestellt: Da gibt es den Schlosser, der Künstler werden möchte, und zum Opfer eines Komplotts von Persönlichkeiten der Kunstszene wird. Da gibt es den Griechen mit Sprachbarriere, der bei Elisabeth eine neue Arbeit, zwei Verehrerinnen und viele Feinde findet. Da gibt es die beiden jungen Frauen, die sich in andere Welten träumen und doch nie ihr „Kaff“ verlassen. Da gibt es Paare, die gefesselt sind an ihren jeweiligen Süchte und Beziehungsgeflechte. Und nicht zu vergessen kontroverse Persönlichkeiten wie Antoine oder Mrs. Robinson aka „Mutti“. Geschickt verschmelzen Text-Fragmente von Rainer Werner Fassbinder, Peter Turrini, Wolfgang Bauer und Peter Handke zu einem bunten Sprach-Teppich. Was erst wirkt wie ein unterhaltsamer Ausflug in die brodelnden Gesellschaftsschichten der 1960er Jahre, opulent bebildert von liebevoll gestalteten Plakatwänden im Stil zeitgenössischer Platten-Cover und geschickt gewählten Kostümen, weist schnell erschreckende Parallelen zu unserer Zeit auf. Etwa wenn sich die Figuren in Fremdenhass oder sexualisierte Gewalt hineinsteigern. Oder wenn der junge Poet fragt: „Vielleicht sollte ich ein Stück schreiben, in dem alle so reden wie wir?“ Oder wenn einer der beiden wortwörtlich schießwütigen Lederjacken-Lover fragt: „Sind wir nicht alle Ratten? Da sitzt ja noch ein ganzer Haufen!“ Und wieder erhellt das grünliche Licht auch die Reihen von uns Zuschauern. Unweigerlich stellt sich die Frage, wer hier eigentlich wen beobachtet …

 

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Natürlich kann so etwas nicht gut enden. Suizid, Vergewaltigung, Tod im Affekt – die Abgründe unseres menschlichen Seins tun sich schneller auf, als manch einer „Party“ sagen kann. Und auch wenn die Figuren immer wieder dem „Goldenen Joint“ huldigen, kann dessen Nebel eben doch nicht die zwischenmenschlichen Grausamkeiten ungeschehen machen. Mal tröstend, mal humoristisch, mal wie ein willkommener Weckruf wirken dagegen nur die stimmungsvoll gewählten Musik-Einspieler und Schlagzeug-Einlagen. So eindringlich, wie sie sie eingangs vorgestellt haben, verabschieden die jungen Darsteller ihre Figuren schließlich auch wieder: „Ich bin zu meiner Geschichte geworden“, „Ich habe die Liebe mit dem Trieb verwechselt“ und immer wieder „Ich habe zugelassen.“ Niemand sagt den einen Satz, den alle hören möchten, und doch schwingt er in aller unausgesprochenen Deutlichkeit über der ganzen Szenerie:

„Begegnet allen Wesen liebevoll und stoppt jede Form der Gewalt!“

 

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Vielen Dank, liebe 12. Klasse, für diesen ebenso gruseligen wie inspirierenden Spiegel in unser menschliches Antlitz. Ihr habt sehr eindrücklich und wahrhaft grandios gespielt! Und vielen herzlichen Dank an Marcus Lachmann und Melanie Monyer für die gelungene Umsetzung, vor deren Hintergrund uns diese einmalig schillernden jungen Persönlichkeiten begeistern durften.

Silke Schönfelder
für den Öffentlichkeitskreis FWS Oberberg e.V.

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